Warum Graz eine großartige Stadt ist

Graz ist nach Wien mit etwas mehr als 290 000 EinwohnerInnen und knapp 128km² die zweitgrößte Stadt Österreichs. Durch die Landeshauptstadt der Steiermark fließt die Mur, welche Graz in ein linkes und ein rechts Murufer teilt und sogar eine eigene (künstlich angelegte) Insel beherbergt, auf der sich ein Kaffeehaus und eine kleine Open-Air-Bühne befindet. Graz ist international als Universitätsstadt bekannt und dank seiner vielen Entwicklungen im High-Tech-Bereich in aller Munde.
Graz ist nicht Wien
Wien ist großartig, keine Frage. Nicht umsonst trägt die Stadt von ganz offizieller Seite seit gefühlten Ewigkeiten das Prädikat „sehr lebenswert“. Wien ist anders und das ist schön und gut so. Wie das nun einmal häufig so ist, werden Wien und Graz aufgrund ihrer Größe (also größte und zweitgrößte Stadt Österreichs) miteinander in Beziehung gesetzt und gerne als Geschwisterpaar dargestellt. Und wir wissen ja eigentlich: Geschwister soll man nicht vergleichen! Da kommt nichts Gutes dabei heraus. Wagt man aber dennoch einen zögerlichen Versuch, so wäre Graz wohl die kleine, etwas ruhigere, aber dafür sehr kreative und charmante Schwester von Wien. Für einen bestimmten Schlag Menschen – natürlich immer abhängig von den persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen – mag sie sogar noch großartiger sein als ihre große Schwester.
Was macht Graz so großartig?
Diese Frage lässt sich natürlich weder einfach noch kurz beantworten. Einheimische sowie zahlreiche Touristen schwärmen von der wirklich hübschen Altstadt, in deren Zentrum der ehrwürdige Grazer Schlossberg thront. Ein beliebter Weg, diesen zu erklimmen (gemütlich dauert dies vielleicht 30 Minuten) führt vom Hauptplatz aus über die Sporgasse durch einen Bogen unter einem klassischen, alten Gebäude durch. Ab da verläuft ein serpentinenartiger Spazierweg bis ganz nach oben. Wer entweder sehr oder gar nicht sportlich veranlagt ist, kann aber auch von der anderen Seite, dem Schlossbergplatz aus, starten. Dort warten einerseits der Kriegssteig aus dem ersten Weltkrieg mit 260 Stufen und andererseits der Eingang zur wohl bequemsten und schnellsten Variante, oben anzukommen: der Schlossberglift, der seine Gäste in 1,5 Minuten nach oben befördert. Eine Schlossbergbahn gibt es übrigens auch.

Und warum sollte man überhaupt auf den Schlossberg?
Die Aussicht von oben über die Stadt ist tatsächlich äußerst reizvoll. Außerdem findet sich am Schlossberg das wohl bekannteste Wahrzeichen von Graz, der berühmte Uhrturm. Etwas irritierend an ihm ist die Tatsache, dass der erst später hinzugefügte Minutenzeiger kleiner als der ältere Stundenzeiger ist und es daher so wirkt, als würde die Zeit falsch angezeigt. Weitere Sehenswürdigkeiten am Schlossberg sind mitunter die Zisterne, das Schlossbergmuseum, mehrere Brunnen und Denkmäler sowie die rege genutzte Kasematten-Bühne, die in der Weihnachtszeit sogar einen besonders hübschen Adventsmarkt beherbergt. Auch an kulinarischen Möglichkeiten mangelt es über den Dächern von Graz nicht.
Die inneren Werte von Graz.
Wörtlich und ganz ohne Metapher lassen sich zu diesem Punkt direkt weitere Highlights im Inneren des Schlossbergs erwähnen: Der Dom im Berg lockt als Veranstaltungszentrum Einheimische wie Touristen regelmäßig in seine Tiefen und die Märchenbahn weiß es, meist junges, aber nicht selten auch erwachsenes Publikum zu verzaubern.
Graz ist aber nicht nur der Schlossberg. Auch wenn man ohne Langeweile zu verspüren, mehrere Tage in, um und auf dem Schlossberg verbringen könnte, kann und hat Graz selbstverständlich noch mehr zu bieten. Mehr Modernes und auch mehr Klassiker.
Um die eigenen „inneren Werte“ zu stärken, wartet in der steirischen Bundeshauptstadt eine bunte Mischung aus alteingesessenen Wirtshäusern und moderner Haubenküche.

Neues und Altes
Klassische, alteingesessene Institutionen, die einen Besuch wert sind, sind beispielsweise das Delikatessengeschäft Frankowitsch, das die wohl besten Brötchen von Graz anbietet oder der Juwelier Weikhard am Grazer Hauptplatz, dessen Uhr seit vielen Generationen den mit Abstand beliebtesten Treffpunkt für Grazerinnen und Grazer darstellt. Modern hingegen sind die eingangs erwähnte Murinsel oder das „Friendly Alien“, das ungewöhnlich geformte Grazer Kunsthaus.
Ansonsten steht Graz anderen Städten um nichts nach: Die Infrastruktur ist gut. Es gibt Busse in alle Himmelsrichtungen, Straßenbahnen, die liebevoll „Bims“ genannt werden, Zugverbindungen und der Flughafen Thalerhof ist auch nicht weit. Die gute Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erweist sowohl jenen, die auf ein eigenes KFZ verzichten möchten, als auch den zahlreichen StudentInnen, die sich an den acht Grazer Universitäten und Hochschulen fortbilden, beste Dienste.
Graz hat ruhigere und belebtere, historisch gewachsene und neu konzipierte Viertel.
Lend, der 4. von 17 Stadtbezirken, wird als lebendiger, junger Stadtteil mit viel Kultur und Community gehandelt. Er strotzt nur so vor Workshops, offenen Werkstätten, gemeinsamen (und häufig kostenfreien) Aktionen wie Yoga im Park, Anrainer-Flohmärkten und Straßenfesten. Man gibt sich Mühe, niederschwellig die Nachbarschaft zusammenzubringen und das Konzept wird dankbar angenommen.
Der Bezirk Reininghaus, um noch ein anderes Beispiel mit ganz anderem Hintergrund zu erwähnen, ist der jüngste Grazer Bezirk. In den letzten Jahren wurde Unglaubliches gleistet, um quasi aus dem Nichts (das Gelände war zuvor größtenteils unbebaut) ein neues, nachhaltiges Viertel für Familien zu erschaffen, welches nun auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene ganz dem Zeitgeist entspricht. Erwähnenswert ist das deshalb, weil es kaum vergleichbare Projekte gibt, wo auf einen Schlag ein ganz neuer Bezirk entsteht.
Graz und die Kultur
Kunst und Kultur werden in Graz großgeschrieben.
2003, das Jahr, in dem das berühmte Grazer Kunsthaus errichtet wurde, war auch das Jahr, in dem Graz die Kulturhauptstadt Europas verkörperte. 2020 wurde wieder ein besonderes Kulturjahr ausgerufen, welches sich thematisch besonders mit dem urbanen Leben befasste.
Neben klassischen Museen wie dem Naturkundemuseum, dem Volkskundemuseum oder dem Landeszeughaus beherbergt die Stadt Graz auch einige ausgefallene Ausstellungs-Schmankerl. So lohnt es sich beispielsweise, einen Abstecher in das winzige Kriminalmuseum im Untergeschoß der Karl-Franzens-Universität zu machen oder einen Blick ins Museum der Wahrnehmung zu werfen.
Kunst und Kultur haben aber in Graz nicht nur in Gebäuden, sondern auch häufig im Freien ihren Platz. Im Sommer findet das bekannte internationale Festival für Straßen- und Figurentheater LaStrada in Graz statt. Ein besonderes Highlight ist weiters das Kunstfestival der Bühnen Graz mit dem Titel Klanglicht. An wenigen Tagen im Jahr wird das Grazer Stadtzentrum dank unterschiedlichster, teilweise interaktiver Klang- und Lichtinstallationen in ein ganz neues Licht getaucht.
Wie sind die GrazerInnen so?
GrazerInnen werden häufig als geerdet, bodenständig und ehrlich beschrieben. Das Miteinander und die Geselligkeit sind ihnen wichtig.
Es wirkt ein bisschen so, als würde der grüne Charakter von Graz das Leben im Vergleich zu anderen Großstädten entschleunigen und die erwähnten Charaktereigenschaften, die ja gerne Leuten aus ländlicheren Gegenden zugeschrieben werden, begünstigen. Tatsächlich ist Graz mit seinen vielen Grünflächen noch grüner als Wien (welches stolze 50% Grünflächen aufweist!). In Graz weiß man manchmal nicht, ob man noch drinnen in der Stadt oder schon draußen in der Peripherie ist, weil Fauna und Flora auch in Zentrumsnähe beeindruckend sind. Spielende Eichhörnchen und badende Enten im Park gehören zu den Standards, abends trifft man aber gerne auch auf Dachse, Füchse, Waschbären und andere Wildtiere, die für sich auch abseits der größeren Parks ein Plätzchen gefunden haben.
Eines sei noch gesagt: Sprachlich sollte man sich auf einiges einstellen. Viele steirische Dialekt- und Mundartwörter werden in Graz liebevoll in den täglichen Sprachgebrauch eingebettet. Die Wortschöpfungen mögen zu Beginn womöglich irritieren. Nachfragen ist aber erlaubt! Die GrazerInnen zeigen sich von einer besonders freundlichen Seite, wenn man ihnen ehrliches Interesse entgegenbringt. Sie sind stolz auf ihre Sprache und berichten gerne, woher bestimmte Ausdrücke stammen und was sie bedeuten.
Graz ist anders anders.
Manchmal ist weniger mehr. Manchmal ist auch mehr mehr. Der lebendige Trubel wie in Wien ist in Graz nicht immer und nicht so extrem zu merken. Die Stadt vermittelt ein ganz eigenes Gefühl. Man fühlt sich willkommen. Man kann, aber man muss nicht. Wer sich gern vom Strom mitreißen lässt, der braucht in Wien nur vor die Türe zu gehen. In Graz muss man den Strom manchmal ein bisschen suchen, aber man findet ihn gewiss.